Diplomatic Council fordert „digitale Privatsphäre“
DC Global Information Security Forum: „Richterliche Kontrolle der staatlichen Überwachung ist in der Praxis wackelig“
11. August 2015 – Das Diplomatic Council (DC, www.diplomatic-council.org), ein bei den Vereinten Nationen registrierter globaler Think Tank, nimmt das Gesetzgebungsverfahren zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zum Anlass, generell zum Thema „Schutz der Privatsphäre vs. Überwachungsstaat im Angesicht der allumfassenden Digitalisierung“ Stellung zu beziehen. RA Dr. Thomas Lapp, Chairman DC Global Information Security Forum, erklärt: „Einerseits wollen wir alle eine Privatzone wahren, in der wir sicher sein können, nicht abgehört zu werden. Andererseits verstehen die meisten, dass der Staat eine Schutzfunktion gegenüber seinen Bürgern wahrzunehmen hat und hierfür im Verdachtsfall auch Abhörmaßnahmen einleiten muss, um kriminelle Machenschaften aufzudecken. Klar ist, dass wir nicht nur in Deutschland eine digitale Privatsphäre benötigen.“
Das Diplomatic Council unterstützt den ersten Sonderberichterstatter für Datenschutz der Vereinten Nationen, Joseph Cannataci, in seinem Bemühen, den Datenschutz als Menschenrecht zu fördern. Cannataci war am 3. Juli dieses Jahres zum ersten „Special Rapporteur on the Right to Privacy“ der Vereinten Nationen ernannt worden. Er hatte sich gegen insgesamt 29 weitere Kandidaten durchgesetzt, darunter der ehemalige Bundesbeauftragte für Datenschutz in Deutschland, Peter Schaar. Das Diplomatic Council hatte Anfang August eine offene Anhörung zu diesem Thema durchgeführt, um eine Meinungsbildung herbeizuführen.
„Bei der Balance zwischen Privatsphäre und Staat gilt auf deutschem Boden aller Globalität zum Trotz das Recht der Bundesrepublik Deutschland“, betont Dr. Dorian Hartmuth, DC Director Wirtschaftspolitik, die Rolle der Nationalstaaten. Er erklärt: „Wir können die Digitalisierung der Welt nicht etwa dem Staatsverständnis und Rechtssystem der USA unterstellen. Es ist dringend geboten, über die EU und letztlich über die UNO eine Harmonisierung herbeizuführen, die den Menschen in Deutschland und überall auf der Welt eine digitale Privatsphäre garantiert“.
Forderung: Richter sollen Folgen der genehmigten Abhörungen dokumentieren
Ein Grundpfeiler des staatlichen Abhörens, die vorherige richterliche Genehmigung nach sorgfältiger Prüfung der Sachlage in jedem Einzelfall, scheint eher wackelig. „In der Praxis hält sich die richterliche Kontrolle oft in Grenzen“, weiß RA Dr. Thomas Lapp, und nennt ein Beispiel: „Gewiefte Ermittler stellen den Antrag auf Überwachung beim Amtsgericht am Freitagnachmittag. Dann ist in der Regel kein mit der Materie vertrauter Richter mehr verfügbar, sondern nur noch der richterliche Notdienst, der meist mit jüngeren Kollegen besetzt ist. Der Jungrichter hat bei einer solchen Anfrage zwei Möglichkeiten: entweder zeichnet er die Abhörgenehmigung ab oder am Montagmorgen fragt der Oberstaatsanwalt beim Amtsgerichtspräsidenten an, warum die Anfrage abgelehnt wurde.“ Der DC Chairman Information Security regt an, dass jeder Richter, der eine Abhörmaßnahme genehmigt, diese nachhalten muss und einmal jährlich eine Statistik vorzulegen hat, aus der hervorgeht, ob aufgrund der Maßnahme ein Verfahren eingeleitet wurde und ob es zu einer Verurteilung kam. „Dann würden die Abhörgenehmigungen sorgfältiger geprüft und für die Öffentlichkeit wäre das Verhältnis zwischen den Kosten und den Eingriffen in die Grundrechte der Bürger einerseits und dem Ertrag andererseits transparenter“, ist sich RA Dr. Thomas Lapp sicher.
Er verweist zudem auf Erfahrungen mit Vorratsdatenspeicherung in anderen Ländern wie beispielsweise Österreich. Dort sei von April 2012 bis 2013 in 326 Fällen auf Telefon- oder Internetverbindungsdaten zugegriffen worden. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beim EUGH über die Vorratsdatenspeicherung waren 136 Fälle abgeschlossen, in 56 Fällen hatten die Vorratsdaten wesentlich zur Aufklärung von Straftaten wie Diebstahl und Stalking beigetragen. „In über 80 Prozent der Fälle hat der Zugriff auf die Vorratsdaten also nicht einmal zu einem Gerichtsverfahren geführt“, sagt der DC Chairman Information Security.
DC nennt die Vorratsdatenspeicherung eine „Eichhörnchen-Wahrheit“
Darüber hinaus wurde im Rahmen des DC Hearings zum Thema „Digitale Privatsphäre“ Anfang August die Forderung an die Staaten nach einer möglichst umfassenden Transparenz laut. Das für die deutsche Gesetzgebung gewählte Wort der „Vorratsdatenspeicherung“ wurde als typisches Beispiel für einen „intransparenten, sinnlosen und irreführenden Begriff“ genannt, weil „natürlich jede Speicherung dazu dient, einen Vorrat anzulegen“. „Das weiß jedes Eichhörnchen“, sagt Dr. Dorian Hartmuth und stellt klar: „Es geht jedoch darum, dass der Staat die Kommunikationsdaten aller Bürger ohne Anfangsverdacht, ohne richterlicher Anordnung und letztlich ohne Grund aufbewahren will, damit er später darauf zurückgreifen kann, wenn ihm im Nachhinein ein Grund einfällt“. Der DC Director fordert: „Die Ehrlichkeit gebietet, diese Orwell`sche Datensammelei im Gesetzgebungsverfahren auch beim Namen zu nennen.“
Im Laufe des DC Hearings wurde auch die fortlaufende Verletzung der deutschen Datenschutzgesetzgebung durch US-amerikanische Internetkonzerne kritisiert. „Wir brauchen möglichst rasch eine weltweite und wenn das nicht so schnell zu bekommen ist wenigstens eine EU-weit einheitliche Gesetzgebung zur Kontrolle der ausufernden Datensammelwut der Internetkonzerne“, fordert DC Director Dr. Dorian Hartmuth. „Die Konzerne von Amazon bis Google unterwerfen sich dem Datenschutzrechts Irlands, weil die irische Datenschutzbehörde nur 29 Mitarbeiter hat und damit wesentlich geringere Kapazitäten besitzt als für die riesige Aufgabe eigentlich notwendig wäre“, erklärt RA Dr. Thomas Lapp, wie die US-Firmen derzeit den strengen Datenschutz in Deutschland und anderen EU-Staaten umgehen.
Das Diplomatic Council (UNO reg.) ist ein bei den Vereinten Nationen registrierter globaler Think Tank zur Verbindung von Diplomatie, Wirtschaft und Gesellschaft. Hierzu verknüpft das Diplomatic Council ein weltweites Wirtschaftsnetzwerk mit der Ebene der diplomatischen Kommunikation. Als Mitglieder sind gleichermaßen Diplomaten und Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft willkommen.
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